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Ungelesener BeitragVerfasst: 22.05.2009, 15:08 
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Rechtsgeschäfte über Wappen und Wappenteile im Mittelalter

Wie jeder weiß, oder wissen sollte, besteht der ordnungsgemäße Gebrauch eines Wappens darin, es zu "führen". Und jeder der zur Führung eines Wappens berechtigt ist, kann jedem Unberechtigten die Führung verbieten.

Im Mittelalter stand dem "Berechtigten" aber auch das Recht zu, diesen Einspruch zugunsten Dritter aufzugeben.

Hier nun einige Beispiele aus Originaldokumenten, in ein einigermaßen verständliches Deutsch übersetzt:

April 1328

"Ich Eberhard von Widersperg tue kund allen, daß ich Herrn Otto von Greiffenperg, meinen lieben und getreuen Oheim, ihm und seinen Erben zugestanden habe gänzlich meinen Schild, Helm und Kleinod zu führen, wenn sie es den wollen".

Das heißt also, daß Otto von Greiffenperg fürderhin mit seinen Erben das Widersperger Wappen führen darf. Die Widersperger wiederum führen das Wappen aber selbstverständlich auch weiter.

Mai 1384

"Ich Hans von den Brüdern ........ tue kund, daß ich gütlich und gern gegeben habe und auch gebe Kraft dieses Briefes.....dem Endres Funck, Bürger zu Gmund und allen seinen Kindern und Nachkommen meinen Schild und Helm, wie ihn mein Vater auf mich gebracht hat, und soll und mag der vorgenannte Endres Funck und alle seine Nachkommen denselben Schild und Helm nun weiter fort mit mir und allen meinen Nachkommen ebenso führen wie ich und alle meine Nachkommen".

Hier sieht man, daß es sich unzweifelhaft nur um einen "Verzicht auf das Einspruchsrecht" von Seiten des Hans zu Gunsten des Endres Funck handelt. Hans will mit seinen Nachkommen das "abgetretene" und vom Vater geerbte Wappen weiterführen. In beiden Fällen fand der Verzicht des Wappenherrn auf das "Einspruchsrecht" zu Gunsten eines Dritten "ohne Entgelt" statt. Man nannte daher ein solches Geschäft eine "Schenkung" eines Wappens. Den wenn man etwas verschenkt hat, so hat es von nun ab nur noch der Beschenkte, der Schenker aber nicht mehr. In den vorliegenden Fällen haben aber die Schenker das Recht zur Führung des Wappens behalten wollen und auch tatsächlich behalten. Hier wäre der Ausdruck "unechte Schenkung" eigentlich sachgemäßer.

Nun konnte der Wappenherr sich für den Verzicht auf das Einspruchsrecht auch ein "Entgelt" geben lassen. Hierher gehört vor allem das berühmteste Beispiel des Erwerbs einer Wappenfigur und zwar der Erwerb des bekannten, heute noch geführten, Helmkleinods der "Hohenzollern". Nämlich der "Hundskopf" oder besser das "Brackenhaupt" von "Lutolt von Regensburg" an den "Burggrafen Friedrich von Nürnberg":

10. April 1317

"Allen ..... tue ich Lutolt von Regensburg, Freie im Konstanzer Bistum, kund, daß ich dem edlen Herrn Friedrich von Gottes Gnaden Burggraf zu Nürnberg verkauft und zum Kauf überlassen habe mein Kleinod, das Brackenhaupt um sechsunddreißig Mark guten Silbers, mit solcher Bedingung, daß der vorgenannte Herr Burggraf Friedrich von Nürnberg und seine leiblichen und rechten Erben, und ich der vorgenannte Lutolt von Regensburg und meine leiblichen Erben, außerdem noch Herr Diethelm von Krenkingen, Freie, mein lieber Oheim, bei seinen Lebzeiten, aber keine seiner Erben und weiter niemand sonst mein Kleinod, das Brackenhaupt, führen sollen".

Hier will der Wappenherr trotz gezahlten Entgelts das Brackenhaupt mit seinen Nachkommen, und sogar mit seinem Oheim, weiterführen. Ebenso wie in den früher mitgeteilten Fällen die Bezeichnung "Schenkung" irreführend ist, ist in diesem Falle die Bezeichnung "Verkauf" ebenfalls irreführend. Und dies obwohl dieses Wort in der Urkunde vorkommt. Wenn man nämlich einen Gegenstand verkauf hat, hat man ihn selbst nicht mehr. Dies ist aber hier nicht der Fall. Deshalb wäre hier der Ausdruck "unechter Verkauf eines Wappens" angebrachter. Klar im Sinne muß man aber behalten, daß sowohl im Falle der "unechten Schenkung", wie auch im Falle des "unechten Verkaufs" eines Wappens, man lediglich das "Einspruchsrecht" gegen die Führung des eigenen Wappens verkaufte, bzw. verschenkte.

Und nun zu Fällen, bei dem der Wappenherr den Verzicht des Einspruchsrechts an gewisse Bedingungen knüpft:

"Ich Karl von Eberstein tue kund .......... daß mir mein Herr Oheim, Herr Engelbrecht der Grueber erlaubt hat, mit ihm zu führen seinen Helm mit folgender Bedingung: Wenn der vorgenannte Oheim Herr Engelbrecht einen Erben bekäme, daß ich vorgenannter Karl von Eberstein dann denselben Helm ohne allen Streit ihm und seinen Kindern wieder überlasse. Wenn aber der vorgenannte Herr Engelbrecht ohne Kinder stürbe, so soll ich Karl von Eberstein und meine Erben Recht und volle Gewalt haben, denselben Helm auf Lebenszeit zu führen. Sollte aber, was Gott verhüten möge, ein Zerwürfnis zwischen uns entstehen oder ein Streit: Wenn mich dann der vorgenannte Herr Engelbrecht, mein Oheim oder seine Kinder würden heißen den Helm aufgeben durch Brief oder beliebiger Art der Botschaft, so soll ich ihn aufgeben ohne jeden Streit oder Widerspruch".

Hier gestattet der Wappenherr dem Karl von Eberstein die Führung seines Helms (Kleinods) nur für so lange als er, der Wappenherr, keine Erben hat. Also nur auf Widerruf.

Es findet sich aber auch der Fall, daß der Wappenherr auf sein Einspruchsrecht zu Gunsten eines anderen "nur für dessen Lebenszeit" verzichtet:

Im Jahr 1344

Wir Graf Johann von Nassau ........ tun kund ...... daß wir den Helm, den unser Neffe Graf Johann von Katzenellenbogen uns aus Liebe und Freundschaft zu führen gestattet, unser Lebtag haben und führen sollen. Es soll der Helm aber keiner unserer Erben ...... nach uns mehr führen, das versprechen wir an Eides Statt.

Und nun kommen wir zu "tatsächlichen" Wappenverkäufen:

1381, auf Alextag

"Ich Zacharias und ich Hartneid Gebrüder Lobecke von Aystorf ....... tun kund ...... daß wir ....... zum Kaufe gegeben haben dem ehrbaren Mann Ulrich Fülsnicht und alllen seinen Erben, wie sie heißen mögen oder werden, unser Wappen, Helm und Schild. Auf dem Helm ist das Kleinod, ein ganzer Mohrenkopf, darauf zwei weiße gegeneinander gebogene Ochsenhörner. Der Schild ist weiß und inmitten des Schildes ist ein schwarzes Feld aus dem Schachbrett und darin ein weißer Schachritter. Und dieses unser Wappen haben wir gänzlich aufgegeben und aus unserem und unserer Erben Nutzen in sein und seiner Erben Nutzen und Gewähr überantwortet. In allen Ehren und Rechten, wie es unsere Vorfahren geführt ......... und bis auf den heutigen Tage an uns gebracht haben. Und also verzichten wir mit allen unseren Erben auf das vorgenannte Wappen, Helm und Schild dem vorgenannten Ulrich Fülsnicht und allen seinen Erben gegenüber derart, daß weder wir noch alle unsere Erben irgendeinen Anspruch darauf....... sollen noch mögen haben noch gewinnen ...... da sie uns dieses Wappen gänzlich bar bezahlt haben, womit wir befriedigt waren".

In einer anderen Urkunde ist die Sache ähnlich:

April 1368

"Ich Hans der Tragauner und alle meine Erben, wir tun kund .... daß wir verkauft haben unser Wappen, Schild und Helm. Der Schild hat folgende Farben: unten weiß und oben schwarz, und durch das schwarze Feld im Schilde geht ein weißer Sparren und hat der Sparren die Spitze nach unten, und die Flügel auf dem Helm sind die gleichen Farben. Das vorbeschriebene unser Wappen, Schild und Helm und das Siegel dazu, haben wir ..... verkauft und gegeben dem ehrbaren Ritter Herrn Pilgrim von Wolfsthal und allen seinen Erben derart, daß wir das gleiche Wappen fürderhin nimmer weiterführen noch tragen wollen, weder im Zweikampf noch im Felde und sollen darum gegen Herrn Pilgrim von Wolfsthal und gegen alle seine Erben fürderhin wegen des vorgenannten Wappens keinerlei Anspruch der Forderung mehr haben ....... weder um viel noch um wenig.

Bei diesen letzten beiden Fällen handelte es sich um "echte" Wappenverkäufe.

Nachdem nun dargelegt worden ist, daß es Schenkungen und Verkäufe von Wappen tatsächlich gab, ist es nicht verwunderlich, daß Wappen auch durch "letztwillige Verfügungen" vermacht wurden. Ehe wir jedoch über diese Art der Verfügung sprechen ist es nötig, folgende Punkte anzusprechen:

1. Das Einspruchsrecht der Familie

2. Das Wappenheimfallsrecht des Landesherrn

Was zunächst das Einspruchsrecht der Familie betrifft, so ist ja bekannt, daß das Recht zur Führung eines Wappens nicht Sache des "einzelnen" Familienmitglieds, sondern der "ganzen" Familie ist. Der einzelne hat gar nichts weiter als das "volle Gebrauchsrecht" am Wappen. Verschenkt er das Wappen in der Weise der "echten" oder "unechten" Schenkung, des "echten" oder "unechten" Verkaufs an einen anderen, so greift er in die Rechtssphäre der ganzen übrigen Familienmitglieder ein. Diese hat dagegen Einspruchsrecht. Übt sie dieses innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens nicht aus, so gilt das dann als stillschweigende Zustimmung. Die Familie hat dann ihr Einspruchsrecht "verschwiegen". Es muß daher angenommen werden, daß in den vorher benannten Urkunden der Schenker oder Verkäufer des Wappens der Letzte seines Geschlechts war.

Was nun das "Wappenheimfallsrecht" des Landesherrn betrifft, so ist zunächst zu sagen, daß sich dieses Recht erst spät entwickelt hat. Ursprünglich wurde das Wappen einer Familie in dem Augenblick da das letzte ihrer Mitglieder verstarb, eine "herrenlose" Sache. Eine solche eignete sich dann derjenige an, der "zuerst" zugriff. Schon im 14. Jahrhundert findet sich dagegen deutlich ausgesprochen, daß das Wappen einer ausgestorbenen Familie dem Landesherrn heimfällt, und daß dieser es wieder verleihen kann:

Aug. 1377

"Wir Heinrich von Gottes Gnaden Graf zu Holstein und Stomarn ...... tun kund ...... daß wir dem edlen, festen Ritter Herrn Berchtold von Frankenrode ...... das Wappen gelb und schwarz gleich geteilt, daß an uns in unserer Herrschaft durch Tod anheim gefallen und ledig geworden ist ..... gegeben haben ....".

Solcherart Beispiele gibt es viele, doch mag dieses genügen. Wir kommen nun zum Vermächtnis des Wappens durch "einstweilige" Verfügung:

Okt. 1435

"Ich Otto von Meysau ..... bekenne für mich und alle meine Erben und Nachkommen und tue kund ...... daß ich ..... mit Willen und Gunst des Hochgeborenen Fürsten, Herzog Albrecht, Herzog zu Österreich und Markgrafen zu Mähren und ...... dem edlen Herrn ...... Hans von Eberstorff ........ und seinen Erben durch letztwillige Verfügung vermacht habe ....... mein Wappen: ein schwarzes Einhorn in einem gelben Schild und auf dem Helm ein Gansnest und einen Bausch Federn dran und drei Gänse daraus hervorsehend, das von dem vorgenannten, meinen gnädigen Herrn zu Lehen geht, daß, wenn ich vorgenannter von Meysau ohne leibliche Söhne zu hinterlassen mit dem Tode abgehe, oder leibliche Söhne hinterlasse und auch die mit dem Tode abgehen, ehe sie großjährig geworden sind und kein männliches Mitglied des Geschlechts von Meysau mehr vorhanden ist, daß dann mein vorbeschriebenes Wappen bei dem genannten Hans von Eberstorff bleiben soll".

Wir sehen, hier wird ein Wappen richtig durch ein Testament vermacht.

Man kann sich nun auch eine Vorstellung davon machen, was für ein Wissen und Können ein Herold haben mußte, wachte er doch bei Turnieren darüber, daß jeder Ritter das ihm zustehende Wappen führte.

(Quellen und Zitat: u. a. Wappenrecht - Dr. F. Hauptmann, Stephan Keule von Stradonitz)

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Gruß Alois


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